Der ultimative Kick        oder
Haute-Couture im U-Bahn-Schacht
  

Erlebniswerbung 
ist der Trend der 90er. Reklame wird zum Ereignis. 

Tango-Taumel oder Techno-Fieber
Erst ein cooler Event macht eine Marke unverwechselbar








Die eigenwilligste Modepräsentation dieser Saison ereignete sich in der Mailänder Unterwelt, in einem U-Bahnschacht, auf 3000 Quadratmetern schneeweißem Raum mit Meditationsqualität. Kein Laufsteg,  kein Model, keine Show, kein Sound, keine Kollektion. Nur zwei Kleiderbügel an der Wand waren sparsam bestückt mit der typisch reduzierten Strenesse-Mode. Man flüsterte und staunte und konnte es kaum fassen.

Das deutsche Fashion-Unternehmen „Strenesse“ hatte mit dieser puristischen Inszenierung erreicht, was es erreichen wollte: Es hatte im Mailänder Modezirkus, wo Dutzende von gigantischen, bombastischen Schauen sich in der Erinnerung des Publikums überlagern und zu Zerrbildern werden, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es hatte einen Event kreiert, so außerhalb des Rahmens, daß er sich im Gedächtnis verankerte.

Event-Werbung ist überall, auch in Deutschland, auf dem Vormarsch. „Der Markt sucht schreiend nach neuen Ideen“, sagt Jens Knör von „Knör Entertaininent‘, einer Remscheider Agentur, die unter anderem Außergewöhnliches für McDonald‘s inszeniert. Denn heute muß „eine Werbebotschaft Erlebnis sein,  und zwar faszinierend und menschlich“, so Beatrix Küster, 34, Mitgründerin der Kölner Agentur „Living Doll Factory“, die vor 14 Jahren als erstes Unternehmen begann mit Events zu werben. Direkter und sinnlicher als es konventionelle Werbung kann, lösen Events Stimmungen und Gefühle aus. „Die Menschen verbinden einen großartigen Tag mit einer bestimmten Marke. So wird sie unverwechselbar‘, erklärt Küster.Mittlerweile arbeiten knapp zwei Dutzend Agenturen bundesweit als EventVeranstalter, in vielen klassischen Werbeagenturen haben sich Event-Abteilungen etabliert. Und sämtliche Branchen, vom Autokonzern bis zum Zahnpastafabrikanten‘ ob Reiseunternehmer, Politiker oder Popstar- alle setzen auf Event-Werbung. 

Doch gerade die sind für die Wirtschaft interessant. Immerhin geben sieben Millionen Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren hierzulande pro Monat 600 Millionen Mark aus, hat die Düsseldorfer Werbeagentur Grey in ihrer Studie „Teens 2000“ ermittelt. Zahlreiche Inline-Events etwa, vom Verkehrstraining bis zur Glitter-Glarnour-Wahnsinns-Party haben die neuen Rollschuhe zu Mega-Sellern gemacht. Und auch der Sportartikel­hersteller „adidas“ hat sich mit einem immensen Event-Werbeaufwand zur Kultmarke stilisieren können. 
Erlebnisse zu planen ist harte Arbeit. Bei Living Doll Factory planen und organisieren knapp 30 Angestellte alles, von der Idee bis rum Ereignis. „Zuerst müssen Trends aufgespürt werden, die wir bearbeiten können. Das machen unsere freien Mitarbeiter in Bars, Clubs, Schulen oder Sportvereinen überall in Deutschland“, sagt Coco Lichter. Die 33jährige ist die zweite Mitbegründerin der Agentur. Kommt das Spaß-Konzept bei einem Kunden an, setzen sich die Kostümbildnerinnen an die Nähmaschinen und entwerfen die Outfits. Der Projektbetreuer organisiert die „Location“: Fabrikhallen, Golfplätze. Schloßgärten. 


Messebauer gestalten die Bühne, Techniker schreiben Sound~ und Lichtpläne. Improvisationstalent gehört natürlich auch dazu.

Aber das haben die beiden Living­Media-Gründerinnen an der Basis gelernt. Die Germanistik-Studentinnen Beatrix Küster und Coco Lichter haben in einem USA-Urlaub „lebende Schaufensterpuppen“ entdeckt und exportierten die Idee nach Deutschland. Als „living dolls“ inszenierten sie sich für Kaufhauskonzerne und andere Unternehmen. „Uns können Sie mieten“ stand auf einem Schild neben der Bühne. Die Events der Jung-Unternehmerinnen wurden Jahr für Jahr schräger und damit werbewirksamer: Manager einer Versicherung schlafen in Zelten am Hockenheimring unter Hasenfelldecken und werden von einem eigens für sie angelegten Erlebnispark und Luxus-Catering unterhalten. Messestände eines Getränkeherstellers verwandeln sich in Zauberwelten aus Erde, Feuer, Wasser und Luft, eine Pager­Firma animiert Abiturienten, sich mit der ersten großen Liebe per Textnachricht zu verabreden. Nicht in der Schulpause, sondern auf einer trendy Dating-Party.


An Messeständen, in Tagungshotels, in Veranstaltungshallen, bei Betriebsfesten oder auf Feten, Ereigniswerbung ist Pflicht. Laut einer Umfrage der Werbezeitschrift „ma+a report“ veranstalten viele deutsche Unternehmen bis zu acht Events pro Jahr. Die „Wirtschaftswoche“ errechnete, daß im Schnitt 15 Prozent des Kommunikationsbudgets großer Unternehmen in Events fließen. Bei den Marktführern sind das Millionensummen. So bezahlte zum Beispiel der Fastfood-Riese McDonald‘s eine zwölftägige lncentiv­Reise mit Seminaren, Tagungen. Show­und Freizeitprogramm für all seine deutschen Manager mit etwa vier Millionen Mark. „Event kann alles sein“, meint Beatrix Küster. „Eine Dating-Party auf Skates, eine Buchpräsentation mit Lichteffekten und Show, ein Außendienstlertreffen mit Musical-Besuch.“Die klassische Reklame kann vor allem die jungen, trendbewußten Konsumenten nicht mehr ködern.