Feste feiern
Der Einsatz von Corporate Events im Rahmen der
Internen Kommunikation



von Michael Kaschytza M.A., Living Doll Factory, Agentur für Eventmarketing GmbH, und
Arnd Schäfer, Living Doll Factory, Agentur für Seminare und Training GmbH




Der Schein trügt

Die Gäste - rund 1 000 Mitarbeiter und Kunden eines Versicherungsunternehmens - werden mit noblen VIP-Fahrzeugen am Bahnhof und Flugplatz in Empfang genommen. Livrierte Chauffeure parkieren die Fahrzeuge von Selbstanreisenden. Ein roter Teppich führt ins Entree einer stilvoll dekorierten Kongresshalle. Lichter leuchten, Stimmung kommt auf, erste Kanapees werden gereicht. Champagner, Bier und Saft fließen. Smalltalk macht sich breit. Links eine fast geschlossen wirkende Gesellschaft in dunklem Tuch und langen Roben. Rechts eine eher lockere Schar, bei der schon mal ein Goldkettchen über lichtem Brusthaar oder an nicht ganz so schmalen Fesseln blitzt. Nicht zu übersehen, wo sich Innendienst und Frontkämpfer wohl fühlen - die einen bei Champagner, die andern mögen's gern etwas herzhafter. Die hohen Tore öffnen sich zu einem festlich geschmückten Saal: Jeder der geladenen Gäste wird zu seinem Platz geleitet, weiter vorne die Manager und Leitenden, rechts die von der Zentrale, links der Außendienst. Freundliche und zuvorkommende Ober bringen den Aperitif. Und Wasser für die wenigen Abstinenten weiter vorne. Auf der Bühne beginnt eine ästhetisch choreographierte Show rund ums Hauptthema des Abends: Das 150jährige Jubiläum des Versicherers, keiner der ganz großen Konzerne, sondern ein Mittelständler von vielen, die im beginnenden Europageschäft irgendwo in der Mitte stehen - und irgendwie etwas abseits. Klassische Musik aus den Gründerjahren des Unternehmens setzt ein. Der Vorstandsvorsitzende taucht im dunklen Dreiteiler im Spotlight auf und hält eine knappe, kurze Rede, in der vom "Aufbruch ins Neue Jahrtausend" die Rede ist, während draußen vor den Fenstern Hunderte von weißen Ballons gen Himmel schweben. Und spricht seligen Blicks - wenn er mal gerade von seinem Manuskript aufschaut - von "unserem Erfolg" und "unserer Unternehmenskultur". An den Tischen wird leise gemurmelt. Nicht an denen weit vorne, wo fast andächtig gelauscht wird. Sondern an denen weiter hinten, dort, wo die einfacheren Mitarbeiter sitzen, die etwas irritiert mit ihren kleinen Give- Aways Zugaben vom großen Unternehmen für den kleinen Angestellten spielen und fast unisono skandieren: "Der erzählt uns doch wieder was vom Pferd."

750 000 DM später - so viel hat der Abend gekostet - ist die Firma so weit wie vorher. Die Mitarbeiter sind immer noch demotiviert, weil gerade eine Sparwelle verordnet worden ist und zehn Prozent der Belegschaft um ihren Job bangen. Ein neuer Investor steht vor der Tür, durch den die Zukunft der Zentrale vollkommen im Dunkeln liegt. Heile Welt? Nur für einen Abend. Aber auch nur in den Augen derer, die ein derartiges Corporate Event als singuläre Maßnahme planen - aus purer Verlegenheit oder aus der Not geboren, irgendetwas tun zu müssen.

Und sei es, ein Jubiläum zu feiern, das man eben feiern muss. Das aber kontradiktorisch wirkt, auf Deutsch: Ein Schuss, der nur zu leicht nach hinten losgeht.

Nicht, weil der Event unprofessionell geplant geworden wäre. Alles stimmte bis ins Detail, von A wie Anreise über E wie Essen bis Z wie Zugabe. Sondern weil der Event von der Strategie her falsch angelegt war. Als Solo-Veranstaltung ohne Vor- und Nachher. Ohne Einbettung in eine Gesamtmaßnahme. Ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten, Ängste, Sorgen und Probleme derer, die fröhlich hätten mitfeiern sollen, aber keine Antworten auf ihre existenziellen Fragen bekamen: Die Mitarbeiter. Dem nur zu oft vergessenen "human capital", bei solchen Events zurückgestuft auf die Rolle von Statisten im großen Spiel um Öffentlichkeit, Glanz und Ehre von Unternehmen und ihren Topmanagern. Die Mitarbeiter wurden nicht ernst genommen, sitzen gelassen an ihren edel gedeckten Tischen, statt sie emotional zu packen, sie einzubinden in einen Abend mit Mehrwert, an dessen Ende jeder ganz ehrlich sagen kann: "Der hat mir etwas gebracht", einen Abend voller Emotion und Aktion, einen psychologischen Reigen von Einfühlsamkeit und Glaubwürdigkeit, einen Event voller Interaktion und Involvement, der einen jeden zu seiner persönlichen Erkenntnis führt: Zum Commitment für das Unternehmen. Oder auch dagegen. Auch das kann passieren, wenn der Abend Stellung bezieht.


Notwendigkeit von Motivation und Event

Mit einem Akt aus Verlegenheit oder aus der Not geboren haben Motivation und Events nichts gemein. Nur werden sie im landläufigen Sinne immer noch und viel zu oft als "nice to have" angesehen. Es gibt keine Strategie. Es gibt kein Budget. Die Kosten für Motivation und Event - zwei Bereiche, die man eigentlich gar nicht explizit trennen kann - werden unter dem Rubrum "Sonderausgaben", jedoch nicht unter "Investition" geführt. Das ist grundfalsch. Denn die Investition in eine Motivation-und-Event-Strategie, die Vordenker im Sinne des verbindenden Elements "Involvement" als eine Einheit sehen, rechnet sich - auf Heller und Pfennig.

Nach einer aktuellen Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg fehlten die rund 30 Millionen deutschen Beschäftigten im Jahr 1997 an durchschnittlich 9,2 Arbeitstagen. Das war zwar der niedrigste Krankenstand seit der Wiedervereinigung - 1996 betrug die Fehlzeitenquote noch 10,4 und 1995 gar 11,4 Tage -, doch die Zahlen sind alarmierend. Denn sie bedeuten nichts anderes, als dass bei einem 1000-Mitarbeiter-Unternehmen (bei angenommenen 220 Arbeitstagen pro Jahr) 42 Mitarbeiter ständig nicht da sind.

Das entspricht bundesweit einem krankheitsbedingten Ausfall von 2,11 Milliarden Arbeitsstunden. 1996 waren es noch 2,42 Milliarden und 1995 sogar 2,7 Milliarden Arbeitsstunden. Über 80 Prozent der Unternehmen, die sich an einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft beteiligt haben, beklagen denn auch eine "große oder sehr große Belastung" durch die Kosten der Fehlzeiten. Andererseits fällt bei allen Untersuchungen dieser Art die erstaunlich geringe Neigung auf, gründliche Ursachenforschung zu betreiben: Nach Arbeitsklima, Arbeitszufriedenheit, Identifikation mit dem Unternehmen, Selbständigkeit und Verantwortung bei der Arbeit und Teamarbeit sowie dem - oft entscheidenden - Verhalten der Vorgesetzten. Nur nicht zu tief stochern, lautet nur zu oft die Devise. Ein netter Event, ein schöner Abend mit viel Wein, Weib und Gesang wird's schon richten. Mitnichten.

Wieder einmal wurden 750 000 DM, wie zum Beispiel für das 150- Jährige des eingangs erwähnten Versicherungsunternehmens, zum Fenster hinausgeworfen. Wenn jeder der 1000 Gäste 750 Mark als Prämie bekommen hätte, wäre mehr erreicht worden als mit dieser glamourösen Art der Geldvernichtung.


Von der Weihnachtsfeier zum Corporate Event

Natürlich gibt es Events, die als Einzelmaßnahmen durchaus ihre Berechtigung haben und auch gut sind, wie sie sind. Ohne große Interaktion, Involvement und Commitment, ohne große Botschaft bis auf die von Friede, Freude, Eierkuchen. Weihnachtsfeiern zum Beispiel. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Zu schnell kann aus einer fröhlichen Feierstunde ein Akt der Demotivation werden, bei dem statt Festtagslaune Frust und Unzufriedenheit geboren werden.

Die "gemeine" Feier - ob zum Geburtstag, Jubiläum, Weihnachten oder auch zur Werkseröffnung oder zum Start eines Produkts - war der Anfang des modernen Begriffs Event. Eines Fachworts übrigens, das die Agentur Living Doll Factory Anfang der 80er Jahre aus Amerika importiert und sich als erste deutsche Agentur ins Handelsregister hat eintragen lassen. Damals war der Begriff für Deutschland absolut neu. Heute ist er zwar in aller Munde, jedoch immer noch nicht klar umrissen. Während Gablers Wirtschaftslexikon zum Begriff "Event" bis heute schweigt und auch das dtv-Lexikon die Stelle zwischen Johannes Evens (= CDU-Politiker und Gewerkschafter) und Eventualbudget (= zusätzliche Staatsausgaben) freilässt, verrät das Deutsche Fremdwörter-Nachschlagewerk von Lingen zwar nicht, was wir unter dem Begriff verstehen, aber es verdeutlicht zumindest eines, was die meisten derjenigen vergessen, die Events planen: "Event ist die Zeit zwischen dem Ende der einen und dem Beginn der nächsten Tätigkeit", definiert Lingens Lexikon und reiht dieses "Event" zwischen die Schlagwörter Evasion (= Flucht) und Eventration (= Hängebauch). Damit wird der Begriff "Event" zwar nicht so definiert, wie ihn die Marketingbranche sieht; er tritt aber in eine neue, nur zu oft vergessene Dimension: Der Event wird zum Höhe-, Start- oder besser Fokussierpunkt einer längerfristigen, sich immer wieder schleifenartig perpetuierenden und progressiven Entwicklung.


Corporate Events als Fokussierpunkt der
Internen Kommunikation


Jedes Unternehmen braucht seine Mitarbeiter nicht (nur) als Erfüllungsgehilfen der ihnen zugewiesenen Tätigkeiten, sondern benötigt neben ihrem Engagement und ihrer Selbstverantwortung besonders ihren kreativen Input, ihre Gedanken, ihre Ideen. Solo- Events hergebrachter Machart decken - wenn sie schlecht konzipiert sind - weder das eine noch das andere ab, schaffen aber - wenn sie gut konzipiert sind - zumindest eine neue Ebene des Engagements. Ein Event jedoch, der mit bestem Wissen und Gewissen als Corporate Event bezeichnet und als solche Investition auch budgetiert werden sollte, ist mehr als das: Ein Event ist ein Fokussierpunkt, an dem die Kreativität aller freigesetzt wird. Das geschieht nicht durch Veranstaltungen, in denen die Teilnehmer fast in ihren Sesseln einschlafen, sondern durch psychologische und pädagogische, jedoch nicht als solche erkennbare Techniken, die die Teilnehmer aus ihrer persönlichen Abwartehaltung, ihrer Zuschauermentalität herausreißen, sie herausholen aus der nur allzu bequemen Komfortzone, hinein in Aktion und Interaktion, in Gedankenaustausch und Lernprozess, in ein Involvement, das Körper und Geist einbezieht. Das funktioniert gewiss nicht mit tradierter Lehrer-Schüler-Didaktik, sondern in Form und nach Art moderner Stilmittel der Kommunikationswelt sowie heutiger Sichtweisen, entlehnt aus Theater, Musical oder Fernsehen.

Ein derartiger Fokussierpunkt funktioniert nicht ohne Vorbereitung und schon gar nicht ohne Nachbereitung. Wer mit dem Menschen arbeitet, darf ihn nie alleine lassen oder unvorbereitet mit Situationen konfrontieren, mit denen er nicht fertig werden kann.

In der Vorbereitungszeit werden deshalb sogenannte Sensibilisierungsphasen vorgeschaltet, in denen im besten Falle ein "Event- Scout" oder "Involvement-Scout" im Unternehmen nach dem sucht, was ein Unternehmen erfolgreich macht oder eben nicht. Das sind meist jene Dinge, die in keinem Business-Plan verankert sind, aber die verantwortlich sind für Stimmung, Teamgeist, Identifikation und Zufriedenheit. Ergänzend dazu werden Techniken der klassischen Marktforschung eingesetzt - wie Mitarbeiterinterviews, Video-Interviews, Explorationen, Befragungen und Analysen bis hin zum Benchmarking.

Phase 2 ist dann der eigentliche Event, im besten Falle als Startpunkt einer Entwicklung. In Phase 3 findet die Nachbereitung statt, die von einer Woche bis hin zu einem Jahr oder noch länger dauern kann. In dieser Zeit wird das umgesetzt, was in der Sensibilisierung herausgefunden und auf einem Event angestoßen wurde. Das geschieht mit vielen einzelnen großen wie kleinen Maßnahmen, im Team oder in Gruppen, in Filialen oder innerhalb einzelner Hierarchieebenen. Dort passiert das, was in deutschen Unternehmen viel zu selten passiert: Die Verknüpfung von Event und Involvement zum "Invent". Hier vollzieht sich ein Quantensprung, der Unternehmen nach vorne bringt: Commitment zum Unternehmen entsteht einzig und allein durch selbst erlebte und durchlebte Invents. Dafür steht eine bekannte Formel, die manchem von Einsteins Relativitätstheorie her bekannt vorkommen mag: E = mc. Wobei E für Event, M für Motivation und C für Commitment stehen. Das heißt: Events wirken erst durch das Äquivalenz-Produkt aus Motivation und Commitment:


E=mc2 Event = Motivation x Commitment2



Vom Event zum Invent, oder: Was der Theaterregisseur
Augusto Boal mit Events zu tun hat


Klassische Empfänge und Galas, wie das 150jährige Jubiläum des Versicherungsunternehmens, sind etwas für Honoratioren, die sich an edel gedeckten Achtertischen wohl fühlen. Und sich bei Smalltalk - bei 78er Brunello zum Lamm-Carre an Rosmarin-Jus - auch wohl fühlen können. Denn Probleme haben sie keine. Nicht, dass nicht alle Mitarbeiter gerne lecker essen oder gut trinken würden, doch sie entlarven das Ganze zu schnell als das, was es ist: Panem et circenses: Brot und Spiele fürs Volk.

Das Volk rebelliert. Will nichts almosenhaft vorgesetzt bekommen, wenn Probleme den eigentlichen Alltag bestimmen. Probleme mit der Unternehmenskultur oder -philosophie, mit der Haltung und den Aktionen von Vorgesetzten, mit Entscheidungen und deren scheinbarer Willkürlichkeit, mit der Arbeit im Team, mit Hierarchien, mit Selbstverantwortung oder Fremdbestimmung oder aber mit sich selbst. Mit der eigenen Karriere oder Stagnation, mit fehlendem Zeitmanagement, mangelnder Kreativität, mit Angst, Zaudern, Unsicherheit, Handlungsunfähigkeit.

Theater hat mehr mit Events und noch mehr mit Invents zu tun, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Natürlich gleicht ein Event einer Aufführung. Selbstverständlich wird ein Event choreographiert und im Sinne guter Dramaturgie aufgebaut. Freilich wird mit den Mitteln guter Inszenierung gearbeitet, mit Licht und Schatten, Effekten und Überraschungen, mit Musik und Tönen, mit Schmeichelndem für alle Sinne, ob Auge, Ohr, Mund oder Hand. Doch Events gehorchen einer anderen, weit grundlegenderen Dramaturgie, die bereits in den 70er Jahren von Augusto Boal - dem brasilianischen Theaterregisseur und Theaterguru - "erfunden" wurde und auch heute nur von wenigen Spezialisten für Eventmarketing angewandt wird. "Normale" Events sind eben weit weniger Arbeit. Aber: Sie bringen dem Unternehmen auch weit weniger, schon gar keinen "return on investment".

Wenn Topmanager und Event-Spezialisten auch nur den Kernsatz Boals "Ich weiß, dass ich nicht klüger bin als meine Zuschauer" beherzigen würden, wäre schon viel gewonnen. Noch mehr wäre allerdings erreicht, wenn die tradierte Beziehung "Eventveranstalter/Unternehmen" auf der einen Seite und "Mitarbeiter" auf der anderen Seite neu definiert würde. "Ich war wie alle anderen ein Künstler in der Klausur seiner Theaterrituale, seiner Vorurteile und üblichen Lügen", schaut Boal düster in seine eigene Vergangenheit. "Ich begann, die alte Beziehung Schauspieler/Zuschauer zu verachten, genau wie jedes andere Subjekt/Objekt-Verhältnis, das einen Menschen dazu verurteilt, Zuschauer des anderen zu sein, des anderen, der immer mehr zum Übermenschen, zum Menschenfeind wird."

Genau so kommt einem "kleinen" Angestellten mit 42 000 Mark Jahresgehalt zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld und von seiner Gewerkschaft erkämpfter 1,5 prozentiger Lohnerhöhung ein Event vor, bei dem 750 000 DM an einem Abend in die Luft gepustet werden. Wenn diese 750 000 Mark ihm allerdings das Gefühl vermittelt hätten, für sich selbst eine Erkenntnis gewonnen zu haben, einen Mehrwert bekommen zu haben, der ihn persönlich in seinem (Arbeits-)Leben weiterbringt, ihn berührt, aufweckt, ihn motiviert und als das nimmt, was er ist: Ein wertvoller Mensch, der sich mit all seiner Kraft engagieren will. Für sein Unternehmen. Für seine Arbeit. Und damit nicht zuletzt für sich selbst.

Genau hier brechen die Dramaturgien klassischer Events, die aufgrund ihrer Strategie nie den dialektischen Sprung zum Invent schaffen können. "Dem Zuschauer wird ein fertiges Kunstprodukt vorgeführt, das ohne sein Zutun entstanden ist", sagt dazu Boal. "Wir schafften darum den herkömmlichen Theaterproduzenten und -zuschauer ab und machten das Volk zum Produzenten seines eigenen Theaters." Denn Theater- oder in unserem Falle Eventmachen muss doch nicht heißen, dass "Produzenten einem Konsumenten eine Ware verkaufen". Nur kommt es einem oft so vor, dass Events durch schiere Größe, Wucht und Luxus die Gäste erschlagen sollen: Masse statt Klasse.

Weit sinnvoller ist: Interaktion statt Reaktion. Denken statt Berieselnlassen. Agieren statt Rezipieren. Dieser Ansatz macht aus Events Invents. Macht aus "Feiern" einen Fokussierpunkt für eine positive Entwicklung im Sinne des Change-Managements.

Doch auch hier ist der Event nur ein Punkt in einer Entwicklung, die sich wie ein ganz gewöhnlicher Haarzopf darstellt.

Der Event ist die dichteste Stelle, an der alles oder vieles bisher Geleistete (oder Versäumte) kulminiert. Diese Verdichtung muss nun nach vorne und hinten gestreckt, kräftig prolongiert werden. In die Vergangenheit, um die Gegenwart und Zukunft erklären zu können. Vor allem aber in die Zukunft, um das bei einem Event Erreichte vertiefen und - im besten Sinne des Wortes - formen zu können.


Von der Erwachsenen-Pädagogik zur Unternehmens- Talkshow

Gerade die Verknüpfung von Event und Motivation ist eine Strategie der Zukunft. Nur eine, die bisher leider nur zu oft an den Systemen und sehr hierarchischen Unternehmensstrukturen scheitert. Die Personalentwicklung war lange Zeit eine reine und ursächliche Sache der Personalabteilung. Marketing und Vertrieb konnten dabei selten steuernd eingreifen. Doch die Rezession (sie hat mehr Gutes, als man denkt) und die wachsende Gleichberechtigung der operativen Abteilungen schaffen langsam eine Öffnung, eine zaghafte Hinwendung zu ganzheitlichen Strategien, die Events und Motivation in einen ursächlichen und zeitlichen Zusammenhang setzen. Das sind keine rein technokratischen Methoden-Seminare mehr, sondern auf Unternehmen und deren Anforderungen zugeschnittene Workshops zur Lösung der dringendsten Probleme mit Vorgesetzten und Mitarbeitern - als Individuen und im Team.

An dieser Stelle setzt eine komplexe Motivationsstrategie an, bei der Events und Motivation vernetzt werden. Und zu der auch Boal einen Beitrag, eine Technik hat: Das "Unsichtbare Theater". Bei diesem Instrument wissen die Zuschauer - die Mitarbeiter - nicht, dass sie Zuschauer sind, und sind daher gleichzeitig auch Akteure. Boal: "Sie agieren gleichberechtigt mit den Schauspielern, die ihnen nur eines voraus haben: Sie wissen, was gespielt wird. Zugleich werden die Schauspieler zu Zuschauern." Dieses Theater und dieser Motivations-Event, die sich von ihren traditionellen Ritualen der Erwachsenen-Pädagogik befreien, brauchen nicht die Bühne als Schauplatz: "Jeder Schauplatz wird zur Bühne für die Dauer der Handlung."

Der neue Typus der Motivation innerhalb der Personalentwicklung ist ein ganz einfacher und auch sehr moderner, an dem Boal seine hellste Freude hätte: Weg von der "Erwachsenen-Schulbildung" hin zu interessanten, mitreißenden Workshops mit Entertainment-Charakter. Weg von der "Flipchart-Misshandlung" hin zu emotionalen, packenden und involvierenden Events. Moderne Unternehmen brauchen mitreißende Workshops statt langweiliger Flipchart-Präsentationen. Manager von heute wollen packende Talkshows statt dröger Pädagogik und psychologisch durchsichtiger Therapie. Mitarbeiter von heute benötigen individuell auf Unternehmen und handelnde Personen maßgeschneiderte Mehrwert-Angebote statt ewig gleicher Trainings. Aber genau das beherrscht die Trainer-Gilde al- lein einfach nicht. Denn dazu braucht es das Wissen um Inszenierung, Dramatik, Faszination und Einzigartigkeit. Und deshalb braucht es die Synergie und vor allem die gegenseitige Befruchtung von Personaltraining und Event, von zwei Dienstleistern der Unternehmen, die bisher eigentlich nur recht wenig miteinander zu tun hatten.

Auch hier lautet der Schlüsselbegriff der Zukunft "Involvement". Denn nur durch innere Bewegung, durch aktive Auseinandersetzung und vor allem durch das Erleben von Situationen - beispielsweise Outdoor, Grenzerfahrungen oder Improvisations-Theater (Boal lässt grüßen) - entwickeln sich Menschen als Einzelpersonen und im Team weiter.

Das System basiert rein auf dem Prinzip des selbstverantwortlichen Handelns und dem Erleben und Verstehen sowie Finden und Annehmen selbstgefundener Spielregeln. Denn erst Selbsterfahrungen, die den Menschen in seiner gesamten Person involvieren, schaffen jene erlebbaren Commitments, die in Menschen auch etwas bewegen und auslösen. Und genau das brauchen Unternehmen von heute: Mitarbeiter, die sich zu einer Aufgabe, einem Unternehmen, einem Stil, einer Philosophie oder zu einem Team bekennen.

Dieses durch Involvement geschaffene, erlebte und dadurch aus eigenem Willen verinnerlichte Commitment ist dann auch mehr eine betriebswirtschaftliche Größe denn eine Frage der Mitarbeiterentwicklung. Denn Effizienz und Engagement heißen die Zauberworte erfolgreicher Unternehmen. Und diese Zauberworte entstehen nur in den Köpfen von Mitarbeitern, die sich aufgrund eigenen Erlebens und eigener Selbstverantwortung innerhalb selbstgefundener Spielregeln committen - für ein Unternehmen, für eine Aufgabe. Oder aber dagegen. Auch das kommt vor und ist besser als ein Mitarbeiter, der das Team durch seinen Missmut, seine eigene Unzufriedenheit und negative Stimmung demotiviert.


Planung und Eingliederung von Events in Unternehmens-CI

Viel zu wenige Unternehmen, die Events planen, gehen strategisch vor. Es gibt kein Budget, kein Ziel, kein Motto, keine Verantwortlichen auf Top-Ebene. Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch landläufig begegnet man eher Zufalls-Aktionen als strategischen Maßnahmenpaketen. Noch viel zu selten wird ein Event als das verstanden, was es ist: Ganz normaler Bestandteil einer komplexen und vernetzten Kommunikationspolitik. Aber ein Bestandteil, der weit mehr ist als ein "Feier-Abend", weit mehr als nur ein "Fest für Mitarbeiter und Kunden": Ein Event kann ein sehr wichtiger initiieren- der Impuls sein. Wenn (!) er als solcher angelegt ist.

Richtig verstandene Events sind schon lange keine Bonbons mehr für Mitarbeiter oder Kunden, sind keine lästigen Pflichten oder plumpe Gelegenheiten, den Vorstand in Szene zu setzen, sondern ein wichtiger Meilenstein innerhalb der Unternehmenskommunikation - ein Stein, der ins Wasser geworfen seine Kreise zieht - intern wie extern. Und der, damit keine unliebsamen Interferenzen auftreten, am besten in ein breit gefächertes Maßnahmenpaket von Motivation bis Public Relations eingebunden ist. Diese Einbindung schafft eine Metaebene, bei der dann auch die vier wichtigen "I"- Schlagworte guter Events richtig angebracht sind: Initiierung, Integration, Interaktion, Involvement.

Diese strategischen Events müssen natürlich in die Corporate Identity und die Corporate Culture eines Unternehmens eingebunden sein. Natürlich zählen dazu Details wie Firmenfarbe, -schrift, Logotype, Motto und Philosophie. Doch weit wichtiger sind die soften Faktoren, die ungeschriebenen Verhaltensweisen, das - neuhoch- deutsch - "behaviour" eines Unternehmens. Deshalb wird nicht nur der Schulterschluss zwischen Event und Motivation notwendig, wie es zum Beispiel bei Living Doll Factory (Events) und Living Doll Factory (Mitarbeiterentwicklung, Training, Motivation) der Fall ist, sondern verstärkt auch die Verbindung zu und die enge Kooperation mit CI-Agenturen. Denn mehr und mehr ist es nötig, neu zu implantierende oder sich aufgrund von "Mergers and Acquisitions" ändernde Unternehmens-CIs und -Leitlinien nicht nur zu entwerfen und zu formulieren, sondern auch durchzu- setzen und im Unternehmen zu verankern - oft über Jahre hinweg.

Neben den harten und soften Faktoren gibt es einen weiteren und meist vergessenen Fakt: Den Stil. Zu einem Produktionsunternehmen passt nun mal besser ein bodenständiges Einweihungsevent in einer Fertigungshalle als eine edle Gala in der Semper-Oper.

Doch was genau zu welchem Unternehmen passt und was nicht, zeigt erst die langjährige Erfahrung eines Generalisten in Sachen Event. Der vermag einen wie auch immer gearteten Unternehmensstil zwar nicht auf einen Blick zu erkennen, besitzt aber das Instrumentarium und das Know-how, für jedes Unternehmen, für jeden Stil und für jeden Anspruch den adäquaten Rahmen und vor allem die passende Strategie zu finden.

Grundfalsch ist es auf jeden Fall, sich einen Schuh anzuziehen, der eine Nummer zu groß oder aber eine Nummer zu klein ist. Beides ist gleich schmerzhaft. Denn wenn der Stil eines Events von dem des Unternehmens so stark abweicht, dass die Mitarbeiter oder Kunden falsche kommunikative Signale empfangen, gibt es Irritationen oder noch Schlimmeres: Des-Orientierung, Des-Information, Des-Illusionierung.

Genau aus diesem Grund gibt es eigentlich keine notwendigen oder nicht-notwendigen Events, keine drögen oder engagierten, sondern nur zwei Kategorien: Es gibt nur gute und schlechte Events. Das Entweder-Oder hängt jedoch nicht von Butterbrot und Brezn, Bier oder Wein, Sekt oder Champagner, Würstel oder Hummer ab, sondern von der Strategie und der Stimmigkeit, deren Zusammenspiel entweder Glaubwürdigkeit schafft oder aber Desorientierung erzeugt. Auf Kosten des Unternehmens. Aber auch und besonders auf Kosten der Mitarbeiter oder Kunden.


Aus Schein wird Wirklichkeit

Die Gäste - rund 1000 Mitarbeiter und Kunden eines Versicherungsunternehmens - werden mit edlen VIP-Fahrzeugen am Bahnhof und Flugplatz in Empfang genommen. Livrierte Chauffeure parkieren die Fahrzeuge von Selbstanreisenden. Ein roter Teppich führt ins Entree einer stilvoll dekorierten Halle. Lichter leuchten, Stimmung kommt auf, erste Kanapees werden gereicht. Champagner, Bier und Saft fließen. Smalltalk macht sich breit. Bunt gemischt unterhalten sich Manager in dunklem Tuch und deren Ehefrauen in langen Roben mit einer eher lockeren Schar, dem Außendienst - froh, sich mal austauschen zu können über dies und jenes.

Schnitt. Das Beispiel, die Szenerie kommt bekannt vor. Jedoch sind Kleinigkeiten anders. Und: Gerade die Details bestimmen den Erfolg oder Misserfolg eines Events. Wenn es denn Grenzen zwischen Innen- und Außendienst gibt, dürfen diese nicht fortgeschrieben werden, sondern müssen - natürlich möglichst behutsam - aufgebrochen werden. Durch eine gewollte Begegnung im Foyer, durch eine inszenierte Vermischung bei Tisch, durch Gesprächsmoderatoren, die die Tischgespräche im Fluss halten und jeden am Tisch einbeziehen. Wenn das alleine nicht reicht, müssen Motivations-Events vor- und nachgeschaltet werden. Outdoor-Trainings zum Beispiel mit gemeinsamen Abseilübungen, wo sich jeder auf jeden verlassen muss. Oder Orientierungs-Wanderungen, wo jeder seine speziellen Fähigkeiten in ein Team einbringen kann.

Auf der Bühne beginnt eine ästhetisch choreographierte Show rund ums Hauptthema des Abends. Klassische Musik aus den Gründerjahren des Unternehmens setzt ein. Der Vorstandsvorsitzende taucht im dunklen Dreiteiler im Spotlicht auf und hält eine knappe, prägnante Rede, in der vom "Aufbruch ins Neue Jahrtausend" die Rede ist, während draußen vor den Fenstern Hunderte von weißen Ballons gen Himmel schweben. Und spricht ehrlichen und offenen Blicks - unterstützt durch absolut freie und rhetorisch brillante Rede - von "unserem Erfolg" und "unserer Unternehmenskultur". Nickt hier jemandem zu, nimmt dort mit einem anderen Blickkontakt auf und eröffnet eine Talkrunde, an der Vorstand, Topmanager, Betriebsräte und einfache Angestellte, aber auch Kunden und Lieferanten bunt gemischt teilnehmen und offen und ehrlich parlieren und die Runde öffnen zu einem engagierten Saal-Gespräch.


Was ist geschehen?

Nach der Beauftragung und dem Briefing der Event-Agentur hat die Agentur ein Event-Konzept vorschlagen, das auf einer Untersuchung basiert, die im Unternehmen selbst durchgeführt werden musste. Im weiten Vorfeld wurde durch einen Event-Scout eine empirische Erhebung gestartet, um die Durchsetzung von Visionen und Leitlinien, aber auch Fakten bezüglich Zufriedenheit, Selbstverantwortung, Führungsstil und Teamgeist sowie Chancen und Herausforderungen, aber auch Ideen und Verbesserungsvorschläge zu eruieren. Aufgrund des Briefings und des durch Erhebung und Event-Scout notwendig gewordenen Rebriefings wurde eine Strategie entwickelt, die für das oben beschriebene Event auf folgenden Pfeilern basiert:
  • Edler, aber dem Unternehmen angemessener Rahmen,
  • gemischte Sitzordnung,
  • Stärkung des Selbstwertgefühls (Choreographie aus der Historie),
  • zukunftsträchtige Metaphern (steigende Ballons),
  • offene Talkrunde und Mitsprachemöglichkeit für alle.

Doch ein Singulär-Event ist zu wenig. Nun muss das, was an einem Abend angelegt, angetreten und in Bewegung gesetzt worden ist, verstärkt werden. Das geschieht wiederum durch die strategische Vernetzung von Event und Motivation, die auf den Erkenntnissen und der Arbeit einer durch Vertreter aller Hierarchien und der Event-Agentur besetzten Involvement-Development-Group basiert.

In dieser nur dem Vorstand unterstellten Arbeitsgruppe wird gemeinsam ein über zwei Jahre angelegter Maßnahmenkatalog für die Einbindung aller Mitarbeiter und Unternehmensbereiche für Motivationsmaßnahmen wie Events oder Incentives erarbeitet.

Dieser konzertante Motivations-Reigen soll dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiter zum Unternehmen bekennen. Jedoch nicht durch Überzeugungsarbeit von außen, sondern durch Selbsterfahrung von innen. Jede Erkenntnis, die selbst gewonnen ist, ist tausendmal wichtiger als eine angenommene Lehrmeinung.

Die geplanten "Verstärkungs-Events" können aufgegliedert sein nach Hierarchien oder Abteilungen (zum Beispiel Innen-/Außen- dienst), aber auch bunt gemischt werden, um die Teamfähigkeit zu erhöhen. Selbstverständlich sind sie zugeschnitten auf die jeweiligen Probleme und Herausforderungen und bieten ein erhebliches Plus: Nämlich einen hohen persönlichen Mehrwert für jeden Teilnehmer. Ob Selbsterfahrung, Grenzerfahrung oder Selbstverantwortung und Commitment - jeder Teilnehmer nimmt aus einem derartigen Ereignis eine persönliche Erkenntnis mit, auch wenn sie heißen mag: "Love it, change it, leave it."