Andererseits:
Wir wissen aus Untersuchungen und Erfahrung, daß der neue Typ Einkäufer
und Entscheider Verführungsversuchen nicht abgeneigt ist. Er sucht Reiz
und Anreiz wie seine Vorgänger. Was ihm bis jetzt geboten wird, hat aber
eher destruktiven Charakter oder im besten Fall den unbeholfenen Charme
des Bauerntheaters. Destruktiv : Messepreise. Welchen Sinn soll es machen,
ausgerechnet auf der Messe, für viele Unternehmen das Highlight ihrer Vertriebsstrategie,
die Werthalttigkeit des eigenen Produkts infrage zu stellen? Destruktiv
auch die zwanghafte Ausrichtung der Produktentwicklung auf die Messe als
Forum der lnnovationspräsentation. Jeder weiß, daß die Neuheiten auf der
CeBIT entweder längst fertig sind und nur zurückgehalten wurden, um auf
der Messe herausgestellt werden zu können. Oder es sind Dummies mit höchstens
Ankündigungscharakter. Oder Erstfertigungen., von denen der Betrachter weiß,
daß, wenn er sie kauft, er zum B-Tester gemacht wird. Unbeholfen: Die hundertste
Living Doll, der überlaute Clowns-Klamauk auf übervollem Stand, der gestreßte
Vier-Sterne-Koch und das langbewimperte Mädchen, das von allem etwas versteht,
nur von den Exponaten nichts und auch nicht weiß, wer der richtige Gesprächspartner
ist und wann dieser endlich einmal Zeit hätte Wie erlebt das der Besucher:
Er hat eigentlich ganz was anderes zu tun, als irgendein vorgeblich brandneues
Maschinenteil zu betrachten, zu dem er nicht einmal eine erschöpfende Antwort
darauf erhält, ob es zu seinem Maschinenpark und seinen Service-Ansprüchen
paßt [weil der Verkäufer natürlich nicht sein Kundenblatt zur Verfügung
hat; der statt dessen in eine VIP-Lounge verfrachtet wird, wo man ihm Honig
um den Mund schmiert. Lauten Honig, zudem.
Es entsteht bei dieser Art Messestrategie leicht der Eindruck, als schwebe
die Veranstaltung in einem Nirwana ohne zwingende Anbindung an das [wenn
überhaupt vorhanden] Komrnunikationsmix des Unternehmens. Eine Orgie der
Extrovertiertheit oder: Autisten im Amoklauf. Diese Art von Messen, gewachsen
aus der Tradition der Marktplätze und gewuchert zum Klamauk der Rummelplätze,
ist nur noch lästig. Sie sind der Beweis für das Unvermögen der klassischen
Marketingsstabstellen, das Thema Messe sachgerecht zu bedienen, was bei
dern hohen Mitteleinsatz um so grotesker erscheint. Es ist für die Aussteller
an der Zeit,. endlich die vielbeschworene und (fast] nie realisierte Prämisse
der Kundenorientierung auch bei der Messekommunikation zu beachten. Dazu
gehört, daß dem Besucher positive Grundstimmungen, also exakt das Gegenteil
des Messeüblichen, eingehaucht werden. Das ist Aufgabe der Aussteller wie
der Veranstalter zugleich.