Auszug aus: "Märkte im Dialog - Die Messen der dritten Generation"
von: Martin Klein, Unternehmensberater und Partner von Living Doll Factory,
Leipziger Messeverlag 1997
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Die erste Frage muß lauten: Wie fühlt sich der Messebesucher? Er befindet sich in einer ungewohnten Umgebung nicht am Arbeitsplatz und ohne den gewohnten Streß. Er hat Orientierungsschwierigkeiten und erleidet pausenlos Frustationserlebnisse: die Restaurants überfüllt, Gesprächspartner nicht vorhanden, schlechte Luft, wehe Füße. Da reagiert er auf jede weitere Verletzung seines Wohlbefindens allergisch. Dabei hat der Aussteller es doch in der Hand: Der Besucher fst im Prinzip ja auch einer, den er endlich einmal losgelöst von der täglichen Routine antrifft, in einer geänderten persönlichen Disposition, mit neugieriger Grundstimmung, in einem frei zu gestaltenden Raum persönlicher, eben nicht medialer Kommunikation. Was es braucht, sich diese Disposition zu erschließen ist Geborgenheit und Emotionalität. Beides zusammen, wohlgemerkt; eben Erlebnisqualität. Diese Chance bietet sich ja nur auf der Messe. Es sei hinzugefügt: Disneyland ist durchaus ein Vorbild, wenngleich mit der Einschränkung, daß es bei den Messen nicht um die Gestaltung eines Rummelplatzes geht. Sondern darum, den Besucher in seiner Erwartungsdisposition abzuholen und zu begleiten. Im Disneyland: bei seiner Wundergläubigkeit und Amüsierbereitschaft. In der Messe: bei seiner Bereitschaft, sich informieren zu lassen und überwältigt zu werden von Gesprächen, Anregungen und neuen Reizen. Ausschlaggebend bei beiden, Disneyland wie Messe: die inerte Stimmigkeit des Gesamterlebnisses.
Alle anderen Versuche, ihn bei seinem Interesse zu fassen, Hausmessen etwa oder jene rollenden Geisterbahnen, die sich Roadshows nennen bringen dem Besucher nicht annähernd den Nutzen, wie er ihn sich von einer Messe verspricht [wenngleich er ihn dort nur selten erhält und der ihn mit einer grundsätzlichen Gesprächsbereitschaft zum Stand des Ausstellers führt.
Was bedeutet das aber: Erlebnisqualität? Das ist ein Ding der Trends und Moden. Es war eben einmal der letzte Schrei (und es wurde von den Besuchern begeistert aufgenommen], von einem Sterne-Koch beköstigt zu werden. Living DolIs waren einmal eine unerhörte Attraktion. Prominente haben einmal die Besucher scharenweise angelockt. Produkttheater hat einmal die Leute zum Nachdenken veranlaßt. Das ist heute, qua Übersättigung, nicht mehr der Fall. Es zieht nicht mehr so recht, wenn prominente TV-Moderatoren das Publikum anbrüllen und Freiwillige in Shows auf dem Niveau Hape Kerkelings langweilen. Die Wirksamkeit von Krawall und Animation ist endlich; und Wirkung bringen sie auch nur, wenn sie antizyklisch eingesetzt werden.
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