Auszug aus: "Märkte im Dialog - Die Messen der dritten Generation"
von: Martin Klein, Unternehmensberater und Partner von Living Doll Factory,
Leipziger Messeverlag 1997
  - Seite 4 -
 
Wessen der Besucher nie müde wird, das sind neben der Anregung Ruhe und Geborgenheit. Die kann der Aussteller ihm durch die Standgestaltung und durch Zurückhaltung bei der Ansprache geben. Wir haben einmal im Rahmen der Bäckereimesse in Bremen und im Auftrag eines Großrösters dem Besucher die Möglichkeit gegeben, sich in einer nachgebauten Speicherstadt in ein Straßencafe zurückzuziehen, um einfach nur einmal Ruhe zu haben. Wir haben ihm auch eine Blaue Stunde nach Messeschluß angeboten, während der er, Sekt trinkend, dem finalen Ansturm auf die Taxis entgehen konnte. Ich weiß, daß dieser Stand der meist besuchte während und der längst erinnerte nach der Messe gewesen ist; und nebenher erhielt er den Preis für die beste Standgestaltung. Geborgenheit zu schaffen, Vertrautheit und ein Gefühl der Übereinstimmung mit der erlebten Unternehmenskultur der ausstellenden Firma - das wird in Zukunft der Kaiserweg in die Erlebniserwartung der Besucher sein. Dazu gehört auch, daß der Aussteller alles unternimmt, seine Standbesatzung in eine außergewöhnlich positive persönliche Disposition zu versetzen. Auch sie muß die außergewöhnliche persönliche Situation »Messeeinsatz« als wenn auch anstrengendes, so doch auch herausragendes Erlebnis erfassen. Abstrakt: Wer Erlebnisqualität bieten will, die sich mit seinem Unternehmen verträgt und Langzeitwirkung hervorruft, der muß sich erstens um die Kompatibilität des Messeauftritts mit seinem übrigen Kommunikationsmix bemühen; er muß zweitens den Besucher in seiner wirklichen, der tieferliegenden Bedürfnislage ansprechen und drittens den dafür bestgeeigneten dramaturgischen Überbau schaffen. Dann hat er auch im Messegeschäft eine Atleinstellung. Denn üblich ist heutzutage nicht eine konsequente Optimierung dieser Strategie, sondern der faule Kompromiß. Und da kommt der Veranstalter ins Spiel. Denn die Messegesellschaffen begreifen ihre Veranstaltungen nicht als kommunikatives Großereignis, sondern als rein technologisch orientierte, und mit vielerlei Baubeschränkungen belastete Vermittlung von Standfläche. Wenn diese Beschränkungen nun einmal aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen sein müssen, dann ist die Messegesellschaft andererseits aber auch verpflichtet, sich zu fragen, was sie tun kann, um den noch kommunikativen Freiraum zu gewährleisten. Das ist insofern eine anspruchsvolle Aufgabe, als der Veranstalter ja allen Ausstellern verpflichtet ist. Er kann nicht dem einem Aussteller etwas bieten und dem anderen nicht, so, wie der Zufall die Kompatibilitäten setzt. Das heißt: Es reicht nicht aus, einen kulturellen Event zu gestalten, den nur ein
     Seite 3 Seite 5